Notgeld


Bereits nach Beginn des 1. Weltkrieges erschien das erste Notgeld aufgrund der durch die Kosten des Krieges bedingten Inflation. Der Materialwert der Münzen überstieg deren Nominalwert, was zu einem Horten von Münzen führte. Nachdem zunächst die Gold- und Silbermünzen aus dem Zahlungsverkehr verschwanden, geschah dies schließlich auch mit denen aus Kupfer und Nickel, da Metall für Kriegsmaterial benötigt wurde. Die Notenbank kpnnte den Bedarf an Kronennoten nicht decken und erlaubte die Ausgabe von Notgeld: "Vollzugsanweisung des Deutschösterreichischen Staatsamtes der Finanzen vom 21.11.1918, betreffend die Ausgabe von Geldersatzzeichen".

 

Die Ausgabe von Notgeld von  Städten und Gemeinden war mit gewissen Vorgaben verknüpft, wie Gemeinderatsbeschluß, Angabe der Umtauschfrist und des Nominalwertes, Ausgabestelle. Notgeld hatte eine örtlich und zeitlich begrenzte Gültigkeit, und die Ausgabestellen mußten mit ihrem Vermögen für die Einlösung haften.

Von den damaligen 507 Gemeinden in Oberösterreich  gaben 429 Notgeld aus.

In Österreich startete Ende 1918 / Anfang 1919 Innsbruck mit der Ausgabe von Notgeld - aufgrund der Nähe zu Italien, wohin aus Wechselkursgründen große Mengen Münzen geschmuggelt wurden. Ab Oktober 1919 folgten die ersten oberösterreichischen Gemeinden.

 

Notgeldscheine sind oft sehr farbenfroh und stellen einen, wenn auch sehr kurzen, Auszug der Österreichischen Geschichte dar. Sie bilden oft lokale Gebäude, wie in Steyregg das Schloß und den Stadtturm, Ortsansichten, Sehenswürdigkeiten oder Bräuche dar. Auch Verse sind zu finden, die die Notlage der damaligen Zeit darstellen. So ist auf einem Notgeldschein aus Steyregg zu lesen:

 

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,

Wer nie in kummervollen Nächten

Auf seinem Bette weinend saß,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.


Die Notgeldscheine wurden aufgrund ihrer optischen Attraktivität schnell zum Ziel vieler Sammler, von denen es allein in Österreich an die einhunderttausend gegeben haben mag. Sie organisierten sich in Notgeldvereinen und -messen, und es wurden eigene Notgeldzeitungen herausgegeben. Notgeld war in Geschäften erhältlich, und es wurde rege gehandelt, wobei auch die großen Bahnhöfe, wie der in Linz, eine zentrale Rolle spielten. Die Ausgabestellen gaben zu Sammlerzwecken kontinuierlich möglichst interessante in oftmals bewußt limitierter Auflage aus. Auch manche Fehldrucke waren kein Zufallsprodukt. Diese Sonderausgaben waren nicht für den Zahlungsverkehr vorgesehen, sondern sollten zu hohen Erlöse durch den Verkauf an Sammler führen. Zudem profitierten die Städte davon, daß aufgrund der regen Sammeltätigkeit nur ein geringer Anteil der ausgegebenen Noten wieder umgetauscht wurde. Diese Beliebtheit bei Sammlern führte selbst zur Ausgabe von Notgeldscheinen, als es hierfür keinen ökonomischen Bedarf mehr gab und das Staatsamt für Finanzen die Ausgabe von Notgeld bereits untesagt hatte. Um nicht gegen das Verbot zu verstoßen, wurden die Noten mit Zudrucken versehen, wie "Nur für Sammler" oder "wird nicht umgetausacht", oder mit bereits abgelaufenen Umtauschfristen.

 

Die Normalserien sind auch heute meistens häufig und günstig in guter Qualität zu finden, während die Sonderserien seltener sind und in Sammlerkreisen höher gehandelt werden.

 

Die vorliegenden Notgeldserien aus Steyregg sind unten als Scans abgebildet.


 

Normalserien: Diese Serien wurden, zumindest überwiegend, zum Ausgleich des Mangels an Kleinmünzen ausgegeben.

 

Katalognummer 1036Ia

 

Katalognummer 1036IIa



Sonderserien: Diese Serien wurden für Sammler ausgegeben.

 

Katalognummer 1036IIIa

 

Katalognummer 1036IIIc

 

Katalognummer 1036IIIb

 

Katalognummer 1036IIId



Katalognummer 1036IV


Katalognummer 1036VI

Als zur Hochzeit der Notgeldausgaben für Sammelzwecke Serien auch aus außergewöhnlichen Materialien hergestellt wurden, wie Holz, Leder, Aluminium, Porzellan, aus Fotos oder überdruckten Fahrkarten, ist auch die folgende, seltene Kuriosität entstanden - vermutlich aus privater Hand. Ein heute Unbekannter hat die Rückseite eines kompletten Satzes doppeldeutscher Spielkarten mit 32 Blatt mit weißem Papier überklebt und mit einem Druck versehen, der den Eindruck offizieller Steyregger Notgeldscheine erwecken sollte. Vier verschiedene Motive, wohl Linolschnitte, mit Steyregger Ansichten wurden in acht Farben auf die überklebte Spielkartenseite in den Werten 10, 20, 30, 40, 50, 60, 80, 90 Heller gedruckt. Um eine komplette Serie zu besitzen, mußte ein Sammler 32 Stück erwerben, was dem Ersteller sicherlich einen deutlichen Gewinn versprach. Beim Namen des damaligen Bürgermeisters Lehermeyer unterlief ihm mit der Schreibweise "Lehmeyer" allerdings ein Schreibfehler, was den inoffiziellen Charakter dieser Karten zeigt. Zusätzlich enthalten diese Ausgaben teilweise einen ovalen Gemeindestempel, der einen offiziellen Eindruck erwecken sollte, so aber von der Stadtgemeinde Steyregg nie verwendet wurde. Auch wurde die Ausgabe dieser Scheine damals nicht in Zeitungen publiziert, was zur Hochzeit des Notgeldes üblich war.

Trelde führt diese Ausgabe im Österreichischen Notgeldkatalog von 1921 unter der Nummer 763 IV mit 32 Scheinen, wobei interessanterweise nur Werte von 10, 20, 50, 80 Heller erwähnt werden.

 

Zu den Spielkarten selbst:

Diese doppeldeutschen Karten stellen Tell-Bilder dar und wurden um 1900 von Ferdinand Piatnik & Söhne in Wien hergestellt. Das Zeichen des Herstellers und ein Steuerstempel befinden sich auf der Schellen-Sieben. Auf dem Blatt-König und dem Herz-Ober befindet sich das Stecherzeichen JN für J. Neumayer.


Quellen:

 

- Oberösterreichische Heimatblätter; Emil Puffer (1978); "Notgeld in Oberösterreich"

- Kunstjahrbuch der Stadt Linz von 1982 (Zahlungsmittel oder Spielkarte? Kurioses Notgeld aus Steyregg. Emil Puffer)

- "Steyregg 700 Jahre Markt, 500 Jahre Stadt", 1982, "Notgeldfälschung", Peter Grassnigg.

- Notgeld in Oberösterreich. Der Kleingeldmangel 1919/20 und dessen Behebung. Emil Puffer. Oberösterreichische Heimatblätter. 1978.

- http://www.endebrock.de/coll/pages-de/a131.html